Reisen für die Alte Musik – als Musiker und Dozent
Wie klang eine Komposition zur Zeit ihrer Entstehung? Aus dieser Frage heraus entstand die historisch informierte Aufführungspraxis und mit ihr die Wiederentdeckung und Rekonstruktion historischer Instrumente. In der Renaissancemusik kamen hauptsächlich Blasinstrumente zum Einsatz, darunter viele, die heute nur noch wenigen Kennern zumindest namentlich bekannt sind, wie beispielsweise Dulcian, Pommer, Rankett, Cornamuse und Krummhorn.
Noch seltener anzutreffen sind Musiker, die diese Instrumente nicht nur spielen, sondern auch originalgetreu nachbauen können. Einer dieser europaweit geschätzten Experten ist Bernhard Stilz, Leiter des Fachbereichs Blasinstrumente und Alte Musik an der Musikschule der Landeshauptstadt Saarbrücken. Als Spezialist für Alte Musik und historische Aufführungspraxis unterrichtet und konzertiert er in vielen Ländern Europas, wird zu den wichtigsten Alte-Musik-Festivals eingeladen und macht Rundfunk- und CD-Aufnahmen mit so namhaften Ensembles wie La Fenice, Daedalus, Les Haultz et les Bas, La Caccia, Ricercar Consort, dem Huelgas-Ensemble und Dolce risonanza aus Wien.
Letzteres wandte sich an Bernhard Stilz, um sich bei der Anschaffung eines Ranketts (Doppelrohrblattinstrument mit siebenfach geknickter Röhre) beraten zu lassen und lud ihn im darauffolgenden Jahr ein, bei Konzerten und Aufnahmen als Rankett- und Cornamusespieler mitzuwirken. Auf dem Programm stand Orlando di Lassos „Musica reservata“, und der Anspruch des Ensembles war kein geringerer, als den Originalklang von di Lassos Münchener Hofkapelle zu rekonstruieren. „Das war ein aufsehenerregendes Vorhaben, ein richtiges Forschungsprojekt“, erinnert sich Stilz. Auch jetzt, im Sommer 2017, wird er mit dem Ensemble „Dolce risonanza“ wieder bei einem Konzert in Innsbruck zu hören sein.
Musiker, Forscher, Sammler und Instrumentenbauer
Als Forscher und Sammler historischer Blasinstrumente ist Bernhard Stilz regelmäßig in den großen Musikinstrumentenmuseen Europas unterwegs. „Um die Instrumente originalgetreu nachbauen zu können, messe ich sie in Museen aus“, erzählt Bernhard Stilz, den seine Leidenschaft unter anderem bereits zu den Sammlungen in Wien, Prag, Brüssel und Berlin führte. Sein Inventar historischer und selbst rekonstruierter Instrumente umfasst inzwischen über 60 Blockflöten und mehrere Dutzend Dulciane, Cornamusen, Krummhörner und Rankette verschiedenster Größe.
Basel, der Ort, an dem er seine große Liebe für die Alte Musik vertiefte, ist für Bernhard Stilz bis heute ein festes Reiseziel. Mit Absolventen und Professoren der Schola Cantorum, an der Stilz 1992 sein Konzertdiplom mit Schwerpunkt Ensemble mit Blockflöte, Dulzian, Schalmei, Pommer und Krummhorn ablegte, konzertiert er dort bei den „Abendmusiken in der Predigerkirche“. Ursprünglich für die Aufführung aller Bach-Kantaten ins Leben gerufen, stehen aktuell die Werke der Vorgänger Bachs aus Renaissance und Frühbarock auf dem Programm.
Einen echten „Exoten“ brachte Stilz als Mitglied des Danziger „Goldberg Baroque Ensembles“ zum Erklingen: die „Bombarda grande“, zu deutsch Basspommer. „Oh ja, das bedeutete viele Wochen harte Arbeit und Üben“, erzählt Bernhard Stilz.
„Das Renaissance-Instrument spielt einen Ganzton höher als das restliche Orchester, ich musste die virtuose Barockmusik dann auch noch um einen Ton transponiert mit vielen Vorzeichen spielen, eine ganz besondere Herausforderung auf dem ansonsten eher schwerfälligen Instrument. Ich habe mir gesagt, der „Bombardist“ damals muss das ja auch geschafft haben. Das hat meinen Ehrgeiz angestachelt, und ich habe mich erst mal daran gemacht, meinen Basspommer weiter zu optimieren, schneller zu machen und entsprechend nachzustimmen.“ Bereits zwei Mal war Stilz mit dem Goldberg Baroque Ensemble beim Goldberg Festival in Danzig dabei und freut sich immer wieder auf das Zusammenspiel mit den „sehr guten, professionellen polnischen Kollegen.“
International gefragter Dozent für Alte Musik
Auch als Dozent ist der musikalische Tausendsassa international gefragt und leitet regelmäßig Kurse, etwa in Dänemark, Leipzig und in Finnland, wo er im Juli dieses Jahres auf Einladung der „Helsinki Early Music Association“ Anwärter auf ein Studium der Alten Musik intensiv vorbereiten wird. Auf dem Terminkalender stehen in diesem Jahr außerdem ein Sommerkurs in Wechselburg sowie ein Workshop „Historische Blasinstrumente“ im Rahmen des Renaissancemusik-Festivals in der Lutherstadt Wittenberg.
Als Lehrer und Künstler im Saarland zu Hause
Natürlich sorgt Bernhard Stilz auch im Saarland für hochkarätige Aufführungen Alter Musik. Gemeinsam mit dem Kammerchor VocArt führte sein „Ensemble Heav(enl)y Wood“ zuletzt bei den Tagen für Alte Musik (TAMIS) Vokalpolyphonie und Instrumentalmusik der Renaissance von Senfl, Josquin und Ingegneri auf.
Nicht zuletzt sind es die Schüler der Musikschule der Landeshauptstadt Saarbrücken, die von Stilz’ profunden Kenntnissen der Alten Musik profitieren. So studierten fast alle Mitglieder seines Musikschulensembles „DolceSuono“ später selbst Alte Musik (einige unterrichten nun selbst an der Musikschule), und auch aus dem Wettbewerb „Jugend musiziert“ gehen Schüler seiner Blockflötenklasse immer wieder als Preisträger hervor.